05.09.2005: Holzräder und Blechkarossen erzählen Geschichten

Sonderausstellung „Immer schneller!“ auf Schloss Homburg und im Achsenmuseum

Oberbergischer Kreis. Den Platz in seiner dunklen Garage verlässt er nur selten, doch dass er sich zurzeit im Licht der Öffentlichkeit sonnen kann, verdankt der alte Lloyd Kombi von 1955 einer Sonderausstellung. „Immer schneller! Mittel und Wege der individuellen Fortbewegung in Oberberg (1860-1980)“ ist eine Ausstellung, die in Kooperation zwischen dem Museum des Oberbergischen Kreises Schloss Homburg in Nümbrecht und dem Firmenmuseum Achse, Rad und Wagen in Wiehl Karren und Kutschen, Fahrräder und Automobile einer vergangenen Zeit präsentiert. „Viele Leihgaben aus der Bevölkerung geben der Ausstellung ihren besonderen Charakter“, erklärt Silke Engel vom Museum Schloss Homburg. Ein museumspädagogisches Rahmenprogramm macht die Schau vom 3. September bis 6. November für Besucher im Bobby-Car-Alter genauso attraktiv wie für Oldtimer-Fans älterer Generationen.

Wenn der alte Lloyd sprechen könnte, würde er den Besuchern der Ausstellung interessante Geschichten aus seiner Zeit als Vehikel eines Handelsverteters, später als Gebrauchtwagen eines Lehrers und eines Studenten und nun als Oldtimer eines Arztes erzählen können. Das Sprechen haben die Ausstellungsmacher für die große Vielzahl an Exponaten übernommen. Obwohl Holzräder und Blechkarossen die Hauptrolle in der Ausstellung spielen, versprüht die Schau viel persönlichen Charme. Das ist vor allem Oberbergern wie dem Lloyd-Besitzer Dr. August-Wilhelm Bödecker zu verdanken, die einem Aufruf folgend, zahlreiche Exponate zu der Ausstellung beisteuerten. „Von regionalen Führerscheinen, historischen Zweirädern über Fahrschul-Automodelle bis hin zur Motorrad-Bekleidung reicht die Palette der Leihgaben“, sagt Silke Engel. Die schriftlich festgehaltenen Erinnerungen, die die Leihgeber mit ihren Fahrzeugen verknüpfen, lassen die aktive Zeit der heute altersschwachen Räder und Mopeds wieder lebendig werden.

So sind zum Beispiel Fahrräder und Motorräder der legendären Firma Bismarck aus Radevormwald zu sehen. Auf einem Bismarck-Rad errang Weltmeister und Olympiasieger Toni Mertens 1936 die Deutsche Stehermeisterschaft. Gemäß dem Werbeslogan „Ob Lohmann, Kilian oder Schorn, diese drei sind immer vorn“ gewann der Kölner Jean Schorn 1947 auf einem Bismarck-Rad die Deutsche Meisterschaft. Sehenswert ist auch ein Tretkolbenfahrrad von 1869. „Das ist ein Laufrad mit Pedal, das das Vorderrad antrieb“, erklärt Thomas Köppen vom Firmenmuseum der BPW Bergischen Achsen KG in Wiehl. Weil auf diesem hölzernen Rad der Fahrer sämtliche Knochen spürte, nannten die Engländer es „boneshaker“. Das Moped der Marke Viktoria von 1950 ist deshalb so sehenswert, weil es einen Kindersitz hat und einen Handgriff, um es in den Keller tragen zu können. Ein Hingucker ist auch das Mofa der Firma Rex von 1948, es verfügt über Allradantrieb.

Der kulturhistorischen Ausstellung auf Schloss Homburg liegen fünf Zeitschnitte zugrunde, die das Thema von der beginnenden Industrialisierung Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Fertigstellung der Autobahn A4 Anfang der 1980er Jahre strukturieren. Das Museum Achse, Rad und Wagen der BPW dokumentiert, welche Karren und Wagen in Oberberg bis in die 1950er Jahre gebaut wurden und wie sich der Fahrzeughandel in der Region entwickelte.

Um auch Kindern und Jugendlichen das Thema Mobilität schmackhaft zu machen, findet am Sonntag, 11. September, ein Familiennachmittag mit Kettcar-Rennen, und Lesungen aus Kinderbüchern statt. Bobby-Car-Fahrer können den „Flitzi Pass“ erwerben. Am 3. November liest Jugendbuch-Preisträgerin Tamara Bach aus der „Busfahrt mit Kuhn“ vor.  Die mobile Erwachsenenwelt unterhält der Kölner Kult-Autor Selim Özdogan am 6. Oktober mit der Lesung zum Thema „Bewegung entspannt“. Das erste Engelskirchener Transport- und Oldtimerfest steigt am 16. Oktober.

Die Ausstellung ist ab sofort auf Schloss Homburg dienstags bis samstags von 10 bis 17 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen von 10  bis 18 Uhr zu sehen. Das Achsenmuseum ist montags bis freitags von 10 bis 16 Uhr sowie am Wochenende von 10 bis 17.30 Uhr geöffnet. Mehr über das Rahmenprogramm, museumspädagogische Angebote wie Hörführungen für Blinde und Ralleys für Schulklassen sowie Details zur Ausstellung und gibt es unter www.schloss-homburg.de im Internet.


Letzte Änderung: 5. September 2005