23.03.2012: Gelebte Demokratie: Bürgerkonzepte für die Kanzlerin

Die Kreisvolkshochschule hat den ersten oberbergischen Bürgerdialog durchgeführt.

Rund 30 Bürgerinnen und Bürger diskutieren mit der Kreisvolkshochschule über die Zukunft Deutschlands.

Logo BürgerdialogOberbergischer Kreis. Wie wollen wir in Zukunft zusammenleben? Wovon wollen wir in Zukunft leben? Wie wollen wir in Zukunft lernen? Mit diesen Fragen hat Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Bürgerdialog über Deutschlands Zukunft angestoßen. Bereits seit Anfang Februar können Bürgerinnen und Bürger auf der Internetplattform www.dialog-ueber-deutschland.de ihre persönlichen Antworten auf diese Fragen geben. Nun haben die Volkshochschule Oberbergischer Kreis und die Bertelsmann Stiftung diesen Dialog auch nach Gummersbach gebracht.

Ursula Mahler, stellvertretende Landrätin des Oberbergischen Kreises, begrüßt diese Plattform für einen basisdemokratischen Dialog mit den Bürgern.
"Was für ein wunderbares Instrument, Sie können Ihre ganz persönlichen Meinungen, Ihre Visionen und Ihre Vorstellungen von einem zukünftigen Deutschland direkt an Politik und Regierung richten. Damit nehmen Sie ein Grundrecht auf demokratische Teilhabe wahr und dürfen erwarten, dass es zu Ihren Vorschlägen auch eine Antwort aus dem Kanzleramt geben wird.

Insgesamt rund 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer engagierten sich in der Veranstaltung, die von Renée Scheer, Leiterin der Kreisvolkshochschule, moderiert wurde. Grundlage der Diskussion war das so genannte World-Café-Verfahren: Dabei wird in Kleingruppen nach dem Rotationsprinzip miteinander gesprochen und diskutiert. Wie erwartet kam es dadurch zu einem besonders regen Austausch an Ideen. Die offene und faire Gesprächskultur kam bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern besonders gut an: „Ich finde das Format, in dem diese Veranstaltung stattfindet sehr gut. Den heutigen Bürgerdialog finde ich super. Dieser Dialog sollte unbedingt fortgesetzt werden“, sagte eine Teilnehmerin.

Der Landrat und alle Kreistagsmitglieder sind gespannt und neugierig auf die Ergebnisse, nicht zuletzt, weil sie als Politiker wissen wollen und müssen, was Sie bewegt. Und das war auch das zentrale Anliegen der Bundeskanzlerin, als sie das Experiment Bürgerdialog mit den Volkshochschulen vereinbarte.
Insgesamt sechs Gruppen erarbeiteten unterschiedliche Konzepte für die Zukunft Deutschlands. Abschließend wurden vier konkrete Vorschläge von den Bürgerinnern und Bürgern aus Oberberg formuliert:

  1. Jeder soll von seiner Arbeit leben können 
  • Dazu muss die Politik verbindliche/gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen, z.B. durch Einführung eines branchenübergreifenden verbindlichen Mindestlohnes, zusätzliche Einstellung von Lehrenden mit permanenter Qualifizierung ohne Rücksicht auf ökonomische Aspekte. Persönliche Potenziale des Menschen müssen im Hinblick auf eine flexible und lebenswerte Gestaltung des Arbeitslebens von der Familie und Institutionen frühzeitig entdeckt und gefördert werden (Talente individuell fördern).
  • Die Politik muss Einfluss auf die Wirtschaft ausüben, um zukunftsfähige und nachhaltige Märkte zu schaffen und zu stärken. Hier sollen ethische, soziale und ökologische Aspekte der Produktion und des Konsums berücksichtigt werden.
  • Die Solidargemeinschaft muss gestärkt werden. Der nicht zur Arbeit fähige Mensch wird ebenso wie der Arbeitende in der Gesellschaft willkommen geheißen und von dieser menschenwürdig mitgetragen.

     
  1. Lebenslange Bildungs- und Lernbegeisterung
  • Vorberufliches Lernen
    Voraussetzung dafür schaffen, dass sich Familie gesund entwickeln kann: Arbeitssicherheit, finanzielle Sicherheit. Fördern von Familienkulturen z.B Elternbildung und Unterstützung (zugehend). Soziale Bildung: Austausch Alt und Jung, Familienpaten, generationsübergreifende lokale Begegnungsstätten. Gut ausgebildete Lehrkräfte, ansprechende Lern- und Lehratmosphäre, kleine Klassenverbände, Ganzheitlichkeit.
  • Berufliche Bildung
    Deutlich mehr Engagement von Industrie, Wirtschaft + Kapitalwirtschaft (Stiftungen, Stipendien, Angebote etc.) Persönliche Unterstützung durch Mentoren, Schulpaten…zum stressfreien Übergang von Schule in Beruf. Intensive Zusammenarbeit von Arbeitgebern und Schulen. Aktive Kommunikation.
  • Lebenslange persönliche Bildung
    Nachhaltige lokale Angebote; . Nutzung von vielfältigen Kulturstätten. Abbau von unnötiger Bürokratie aufgrund förderliche Bildungskultur. Ausbau der Bildungs- Teilhabepaket auch für Erwachsene. Stärkung kommunaler Weiterbildungs- und Kultureinrichtung.  
     
  1. Vergeudet nicht das Potential der älteren Generation!
  • Vereinbarkeit von Familie und Beruf
    Gesicherte Kinder- und Seniorenbetreuung ist Grundvoraussetzung bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. der demografische Faktor setzt zwingend voraus, dass wir alle ArbeitnehmerInnen mobilisieren. Das setzt voraus das Betreuungsplätzen in Unternehmen/öffentliche Träger angeboten werden. Bei Teilzeit und Auszeiten sollten die Softskills bewertet werden. Wiedereinsteig und alternative Lebensarbeitszeitmodelle sollten Berufseinsteigern und Senioren angeboten werden.
  • Förderung von sozialen Strukturen zwischen den Generationen
    Nachbarschaftshilfe, Engagement und Verantwortung.
    Zur Förderung von sozialen Strukturen zwischen den Generationen benötigen wir eine Willkommenskultur im unmittelbaren Wohnumfeld. Verantwortung übernehmen und Sorge tragen für den Anderen in der Nachbarschaft ist dafür ein wichtiger Schlüssel Aufeinander Achtgeben. Damit diese Werte zur Selbstverständlichkeit werden, brauchen wir das Gespräch aller Generationen.
     
  1. Wie wollen wir zusammenleben?
    Achtung vor der Schöpfung fängt im eigen Kopf an

  • Jeder Mensch ist Teil der Schöpfung, deswegen wollen wir Achtung vor dem Anderssein fördern. Deswegen wollen wir Teilhabe am gesellschaftlichen Leben unabhängig von Glauben oder Einkommen. Wir wünschen uns, dass niemand wegen seines „Andersseins“ ausgegrenzt wird. Auch wollen wir aufeinander achtgeben. Egoismus muss überwunden werden, indem Zivilcourage und Respekt vorgelebt und ermöglicht werden. Wir wollen persönliche und soziale Kontakte pflegen. Zuhause muss es beginnen: Eltern müssen Respekt lehren, in den Kindergärten und Schulen muss dies fortgesetzt werden. Dazu gehört, dass die Medien dieses gesellschaftliche Bemühen unterstützen.
  • Kinder sollten soviel Selbstvertrauen erhalten, dass sie andere respektieren. Wir wollen, dass der Natur in all ihren Erscheinungsformen Respekt und Wertschätzung entgegengebracht wird. Kein Tier darf durch Massentierhaltung gequält werden. Wir wollen auch nicht, dass Anbauflächen in armen Ländern für Futtermittel und Energiegewinnung missbraucht werden und den Menschen dadurch die Lebensgrundlage entzogen wird. Ressourcen dürfen unserem derzeitig unbegrenzten Wachstums nicht geopfert werden. Wir wollen z.B. auch, dass hier nur so viele Schlachttiere gehalten werden, wie vom eigenen Boden ernährt werden.


Diese Vorschläge sind im Detail bereits auf der Internetseite www.dialog-ueber-deutschland.de nachzulesen und können kommentiert oder durch Abstimmung unterstützt werden.

Zum Abschluss wurden unter allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern zwei Fahrten nach Berlin zu einer zentralen Abschlussveranstaltung verlost, bei der am 6. Juni über 100 Bürgerinnen und Bürger aus dem gesamten Bundesgebiet ihre Zukunftsideen für Deutschland mit der Kanzlerin diskutieren werden. Heike Cosler aus Hückeswagen und Daniel Wolf aus Gummersbach sind die oberbergischen Teilnehmer.

Der Bürgerdialog über die Zukunft Deutschlands ist eine gemeinsame Initiative der Bertelsmann Stiftung, dem Deutschem Volkshochschul-Verband und den beteiligten Volkshochschulen. Ziel dieser Initiative, die in 50 Städten und Regionen des Landes stattfindet, ist es, den online-basierten Zukunftsdialog durch Präsenzveranstaltungen zu unterstützen und dadurch neue Impulse für die politische Diskussion vor Ort zu setzen. Aus Sicht der Kreisvolkshochschule macht es Sinn den Dialog mit den oberbergischen Bürgern fortzusetzen.

  

Die stellv. Landrätin Ursula Mahler eröffnete den oberbergischen Bürgerdialog 2012. (Foto: OBK)
Die stellv. Landrätin Ursula Mahler eröffnete den oberbergischen Bürgerdialog 2012. (Foto: OBK)
"Wovon sollen wir leben?" war eine der zentralen Fragen beim Bürgerdialog der KVHS. (Foto: OBK)
Ein großes Altersspektrum an interessierten Bürgern fand sich beim Bürgerdialog ein. (Foto: OBK)
Ein großes Altersspektrum an interessierten Bürgern fand sich beim Bürgerdialog ein. (Foto: OBK)
Die Vorschläge aus den Arbeitsgruppen wurden in den Bürgerdialog eingestellt. (Foto: OBK)
Die Vorschläge aus den Arbeitsgruppen wurden in den Bürgerdialog eingestellt. (Foto: OBK)


Letzte Änderung: 23. März 2012