26.06.2014: Depression: Raus aus der Tabu-Ecke

Über Depression offen sprechen, Aufklärungsarbeit leisten und Hilfestellungen anbieten, das sind die Ziele des "Netzwerkes Depression Oberberg"

Oberbergischer Kreis. „Angefangen hat alles mit einer großen Erschöpfung“, erinnert sich Eva Radilé. „Ich wurde immer schwächer und antriebsloser, war irgendwann nicht mehr leistungsfähig.“ Es sind Aussagen, die für zustimmendes Nicken bei vielen der rund 100 Zuhörer sorgen. So wie Eva Radilé geht es vielen Menschen, auch im Oberbergischen Kreis. Um aufzuklären und konkrete Hilfe anzubieten, haben sich vor drei Jahren viele Akteure im „Netzwerk Depression Oberberg“ zusammengeschlossen. „Dieses Netzwerk ist eine sehr wichtige Initiative. Es sorgt dafür, dass Betroffene mit ihrer Krankheit nicht alleine gelassen werden und wissen, an welche Stellen sie sich im Oberbergischen Kreis wenden können“, sagt, Landrat Hagen Jobi. Aufzuklären und Hilfestellungen zu geben, waren auch die Ziele der Podiumsdiskussion im Haus der AOK in Gummersbach. „Wir wollen nicht, dass Experten über Betroffene reden, sondern mit Betroffenen sprechen“, betont Dr. Thomas Bauer, Leiter des Kreisgesundheitsamtes.

Engagierte Diskussionen: Moderatorin Karin Vorländer (l.) sprach unter anderem mit Dr. Ralph Krolewski (r.), Facharzt für Allgemeinmedizin und Psychotherapie, und der Betroffenen Eva Ritter über das Thema Depression. (Foto: OBK)
Engagierte Diskussionen: Moderatorin Karin Vorländer (l.) sprach unter anderem mit Dr. Ralph Krolewski (r.), Facharzt für Allgemeinmedizin und Psychotherapie, und der Betroffenen Eva Ritter über das Thema Depression. (Foto: OBK)

Deshalb waren die Veranstalter froh, dass sich auch zwei Betroffene - Eva Radilé und Eva Ritter - an der von Karin Vorländer moderierten Podiumsdiskussion beteiligt haben. Daneben standen als oberbergische Experten bereit: Dr. Beate Baumgarte (Chefärztin der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im Kreiskrankenhaus Gummersbach), Dr. Ralph Krolewski, (Facharzt für Allgemeinmedizin und Psychotherapie), Dipl. Psychologin Daniela Schulze und Sabine Schuh, die Selbsthilfegruppen unterstützt.

Eva Ritter und Eva Radilé schilderten authentisch und emotional ihre Erfahrungen mit der Depression. „Es ist aber schwer nachvollziehbar, wie es sich anfühlt, wenn man 24 Stunden am Tag Angst hat beziehungsweise depressiv ist“, weiß Ritter. Radilé ergänzt: „Ich habe es als sozialen Abstieg empfunden. Meine Hoffnung war, dass ich ein paar Pillen schlucke und es mir wieder besser geht. Dafür hätte ich alles genommen.“

Die Depression hat viele Gesichter. Und sie ist meist mit einer Leidenszeit verbunden. „Es gibt nicht den einen Weg, um wieder gesund zu werden“, betont Dr. Beate Baumgarte. Vielmehr müssten Ärzte auf Augenhöhe mit den Erkrankten nach einer Lösung suchen. „Dabei sind Medikamente nur ein Teil der Behandlung. Sie sind eingebettet in ein Gesamtkonzept“, sagt Dr. Ralph Krolewski und fügt hinzu: „Entscheidende Faktoren sind beispielsweise auch das soziale Umfeld und Selbsthilfegruppen. Wichtig ist es, die Krankheit zu akzeptieren.“ Denn, so lautet eine Botschaft des oberbergischen Netzwerks: Depression kann jeden treffen. Doch sie ist behandelbar. „Und heilbar, wenn wir noch mehr versuchen, den Menschen mit individueller Therapie zu erreichen und zu helfen“, sagt Dr. Thomas Bauer und appelliert: „Man muss das Thema Depression offen ansprechen und die Scheu ablegen.“

Unter den rund 100 Zuhörern befand sich auch Diakon Willibert Pauels (vorne rechts). (Foto: OBK)
Unter den rund 100 Zuhörern befand sich auch Diakon Willibert Pauels (vorne rechts). (Foto: OBK)

Das erhofft sich auch der katholische Diakon Willibert Pauels, im Karneval bekannt als „Ne bergische Jung“, der sich ebenfalls unter den Zuhörern befand. „Es ist so wichtig, eine Lobby zu schaffen und das Thema Depression aus der Tabu-Ecke herauszuholen. Daher ist es toll, damit in die Öffentlichkeit zu gehen“, erklärt Pauels.

Weitere Veranstaltungen dieser Art sind geplant. Denn Hürden gibt es viele. Therapieplätze sind knapp, lange Wartezeiten üblich. Gerade in Akutsituationen ein großes Problem. Eine Liste mit Ansprechpartnern hat das Netzwerk Depression Oberberg erstellt. Hilfe bei der möglichst zeitnahen Benennung von Therapieplätzen gibt es auch bei der „Zentralen Informationsbörse Psychotherapie“ (Telefon: 0241 7509182). Dennoch: „Wir haben im Oberbergischen Kreis eindeutig zu wenig Fachärzte und Therapeuten“, betont Dr. Thomas Bauer. Einerseits hoffe man in dieser Hinsicht auf Besserung, andererseits „freuen wir uns auch, wenn sich weitere Selbsthilfegruppen gründen. Unterstützung leistet dabei der Oberbergische Kreis“.

Für einen weiteren Wunsch aus der Zuhörerschaft der Podiumsdiskussion könnte der Startschuss bereits gefallen sein: Heike Trapphoff vom Selbsthilfe-Büro Gummersbach hat sich bereit erklärt, bei Bedarf ein Angebot für Angehörige einzurichten, um die häufige Unsicherheit im Umgang mit Betroffenen aufzufangen und den Angehörigen in ihrer schweren Rolle zu helfen.

Weitere Informationen zur Krankheit und zum Netzwerk Depression Oberberg gibt es unter www.obk.de.

Beschrieben authentisch und emotional ihre Erfahrungen mit der Krankheit: Eva Ritter (r.) und Eva Radilé (l.). (Foto: OBK)
Beschrieben authentisch und emotional ihre Erfahrungen mit der Krankheit: Eva Ritter (r.) und Eva Radilé (l.). (Foto: OBK)
Aufklärungsarbeit leisten und Hilfestellungen anbieten: Das war das Ziel der Podiumsdiskussion, bei der unter anderem auch Dipl. Psychologin Daniela Schulze (M.) mitmachte. (Foto: OBK)
Aufklärungsarbeit leisten und Hilfestellungen anbieten: Das war das Ziel der Podiumsdiskussion, bei der unter anderem auch Dipl. Psychologin Daniela Schulze (M.) mitmachte. (Foto: OBK)


Letzte Änderung: 26. Juni 2014