14.11.2007: Netzwerk gegen Gewalt in Oberberg „no“ wird zehn Jahre

Oberbergischer Kreis. Gut zwei Monate nach dem gewaltsamen Tod der 14-jährigen Hannah aus Oberdollendorf bei Bonn ist jetzt ein 26-Jähriger wegen Mordes angeklagt worden. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Freiheitsberaubung, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung und Mord vor. „Immer wieder sind es Schicksale wie das der jungen Hannah, die uns die alltägliche Bedrohung vor Augen führen, der wir – auch hier im Oberbergischen – ausgesetzt sind“, sagt Sabine Steller, die als Gleichstellungsbeauftragte des Oberbergischen Kreises gemeinsam mit der Kreispolizei das „Netzwerk Oberberg – no!“ ins Leben gerufen hat. Vor 10 Jahren entstand aus dieser Betroffenheit das Netzwerk, mit dem Ziel, dem allgemein feststellbaren Trend zu mehr Gewalt und Gewaltbereitschaft konsequent und mit allen Mitteln gemeinsam entgegenzutreten. Jetzt gibt es ein neues, mehrsprachiges Faltblatt, in dem Opfer von Gewalt alle Ansprechpartner im Oberbergischen Kreis finden, die Rat und Hilfe bieten. 

Das Foto zeigt Mitglieder des Netzwerkes Oberberg - no mit dem neuen Faltblatt. (Foto Oberbergischer Kreis)

Mit einem neuen Faltblatt zeigt das "Netzwerk Oberberg no!" Wege aus der Gewalt auf. (Foto: Oberbergischer Kreis)

Institutionen, Einrichtungen und einzelne engagierte Personen aus dem gesamten Kreisgebiet arbeiten zusammen, um einen regelmäßigen Informations- und Erfahrungsaustausch zu praktizieren, indem aktuelle Konfliktsituationen und Problemstellungen erfasst und analysiert werden. Aus dieser Analyse heraus werden gezielt Maßnahmen, Projekte und Aktionen geplant, die der Gewaltbedrohung von Frauen, Mädchen, Jungen und Jugendlichen im Oberbergischen Kreis entgegenwirken.

„Oberberg gilt zwar nicht als Kriminalitätshochburg - vergleicht man es mit vielen Großstädten - ,aber auch bei uns gibt es Gewalt, auch die Gewalt im häuslichen Umfeld“, berichtet Sabine Steller. Im Jahr 2006 verzeichnet die Kriminalitätsstatistik 224 Strafanzeigen aufgrund häuslicher Gewalt. Die Polizei reagierte mit 150 Wohnungswegweisungen und Rückkehrverboten gegenüber den Tätern. 222 der Opfer wurden zur weiteren Beratung und Betreuung an Beratungsstellen weitervermittelt. Die Bandbreite der Straftatbestände reicht von 150 Körperverletzungen bis hin zu 60 Fällen von Nötigung, Bedrohung und Erpressung – und dies alles im häuslichen Umfeld, in der Familie.

„Die Zahlen zeigen: auch im Oberbergischen gibt es sie, die Frauen, Kinder, älteren Menschen, die von Familienmitgliedern bedroht, isoliert, geschlagen sexuell missbraucht werden“, sagt Steller. Das Netzwerk habe daher ein neues Faltblatt erstellt, das in vier Sprachen den Weg aus dieser Notlage aufzeige und geeignete Weggefährten benenne.

Sabine Steller fordert jeden auf: „Gewalt ist keine Privatsache! Lassen Sie sich helfen! Fassen auch Sie sich ein Herz, wenn Sie sich bedroht oder misshandelt fühlen.“

Ulrike Menn, Opferschutzbeauftragte und Leiterin des Kommissariats Vorbeugung der Kreispolizeibehörde, schildert an einem konkreten Fall, wie man sich verhalten sollte:
Im Polizeibericht ist zu lesen: „Der Beschuldigte verbot der Geschädigten zu ihren Eltern zu gehen. Anschließend packte er Sie in den Haaren, schlug den Kopf gegen die Wand, so dass die Geschädigte zu Boden fiel. Dann holte der Beschuldigte ein großes Küchenmesser und hielt dieses der Geschädigten an den Hals und sagte sinngemäß: ,Wenn Du zu Deinen Eltern gehst, bring ich Dich um und Du siehst Deine Tochter nie wieder.’“ Er ließ dann von seiner Frau ab und es gelang ihr, sich im Schlafzimmer einzuschließen. Als ihr Mann die Wohnung verlassen hatte, stellte die Frau fest, dass er sie eingeschlossen hatte. Durch ein Telefonat alarmiert, befreite sie ihr Bruder. Nach Angaben der Geschädigten wird sie von dem Beschuldigten seit 2 Jahren geschlagen und bedroht.

Doch diesmal wagt sie den Schritt und schaltet die Polizei ein, die eine Wohnungswegweisung gegen den Ehemann ausspricht. Dies gibt ihr Zeit, sich beraten zu lassen, Abstand zu gewinnen, neue Lebensperspektiven für sich und ihr Kind zu finden. Mit der geeigneten Unterstützung, zum Beispiel durch die Fachberatungsstelle nach dem Gewaltschutzgesetz des Caritasverbandes Oberberg oder andere Netzwerkpartner und die Unterstützung ihrer Familie hat die junge Frau eine echte Chance in ein normales, gewaltfreies Leben zurückzufinden.

Das neue Faltblatt, das Wege aus der Gewalt aufzeigt, gibt es bei allen Netzwerk-Partnern und kann bei der Gleichstellungsbeauftragten des Oberbergischen Kreises, Sabine Steller, per E-Mail unter gsb@obk.de oder unter der Telefonnummer 02261/88-1040 angefordert werden. Das Faltblatt steht in deutscher, serbokroatischer, türkischer und russischer Sprache auf der Homepagedes Kreises unter Einrichtungen des Kreises/Netzwerk Oberberg PDF-Logo  zum Herunterladen zur Verfügung.



Letzte Änderung: 14. November 2007