21.06.2022: "Endlich Ferien, aber kein Ende"

Nach Corona ergeben die Folgen des Krieges in der Ukraine die nächste Belastungssituation

Der Schulpsychologische Dienst des Oberbergischen Kreises hat seinen Jahresbericht 2021 veröffentlicht. 

Oberbergischer Kreis. In 2021 war das schulische Leben stark durch Corona geprägt und belastet. In 2022 stellen die Folgen des Krieges in der Ukraine die nächste Belastungssituation für die Schulen dar. Wichtig ist dem Schulpsychologischen Dienst deshalb, auf die aktuelle Situation an den Schulen hinzuweisen.

In 2021 war das schulische Leben stark durch Corona geprägt und belastet, wie der Jahresbericht des Schulpsychologischen Dienstes für das Jahr 2021 belegt. (Foto: OBK)
In 2021 war das schulische Leben stark durch Corona geprägt und belastet, wie der Jahresbericht des Schulpsychologischen Dienstes für das Jahr 2021 belegt. (Foto: OBK)

„Noch nie hatten Schulen die Ferien so nötig wie dieses Jahr“, fasst Bernd Christ, Leiter des Schulpsychologischen Dienst des Oberbergischen Kreises seine Erfahrungen der langen Krisenzeit zusammen Er erläutert, dass dies die Schülerinnen und Schüler betrifft, aber genauso die Lehrkräfte und alle am Schulleben Beteiligten. Die massiv hohe Belastung der Lehrkräfte zeigt aktuell auch das Deutsche Schulbarometer der Robert Bosch Stiftung: 84% der Lehrkräfte fühlen sich stark oder sehr stark belastet, sehr viele leiden unter körperlicher (62%) oder mentaler Erschöpfung (46%). Das sind Spitzenwerte.

Viele Menschen schaffen es, in einer Krise die nötige Spannung aufrecht zu halten. Sie sind bereit, in einer Ausnahmesituation besonderes leisten zu müssen. Dabei gilt, je resilienter eine Lehrkraft, eine Schülerin oder ein Schüler ist umso länger kann er oder sie eine solche Ausnahmesituation durchstehen. Zusätzlich spielt natürlich auch die Lebenssituation und die Belastungen außerhalb der Schule eine große Rolle. Nicht wenige Lehrkräfte sind auch Eltern. Die Situation vieler Familien von Schülerinnen und Schülern war nicht für hybriden Unterricht gedacht.

Viele Schülerinnen und Schüler haben schon länger die Belastungen nach außen gezeigt. Vor allem Ängste und Schulabsentismus (oft miteinander zusammenhängend) haben nach den Erfahrungen des Schulpsychologischen Dienstes neben Verhaltens- und Leistungsproblemen deutlich zugenommen.

So konnte z. B. Tim [Name geändert] aus der 2. Klasse Anfang dieses Jahres nicht mehr in die Schule gehen. Er weinte, schrie, wehrte sich mit Händen und Füßen, wenn er in die Schule musste und wurde schließlich im Home Schooling unterrichtet. Einmal sagte er sogar zu seiner Mutter, er wolle nicht mehr leben. Nach außen tritt Tim oft „forsch und laut“ auf. Nach einigen Gesprächen, Angstexploration, Psychoedukation und Absprachen mit der Familie, mit Tim und mit der Klassenlehrerin konnte Tim zunächst stundenweise in die Schule. Schließlich, nach wenigen Wochen und einigen Auf und Abs, konnte er wieder normal in die Schule gehen. Zusätzlich waren noch eine Tante, eine Psychotherapeutin und in der Schule die Sonderpädagogin mit viel zusätzlichem Engagement involviert. Tim ist auch nach mehreren Monaten schneller als früher verunsichert, wenn etwas Außergewöhnliches ansteht.

Wenn die akute Krisensituation vorbei ist kommt bei vielen die Erschöpfung durch, die Spannungskurve rauscht sozusagen gleich in den Keller. Bei einem mehrmaligen Hin und Her verstärkt sich dieser Effekt. Mit dem Ukrainekrieg und den vielen Geflüchteten, vor allen Frauen mit Kindern, kommt die nächste außergewöhnliche Herausforderung auf die Lehrkräfte zu. Das ist für viele der eine Tropfen zu viel, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Der Schulpsychologische Dienst hört die Belastungsreaktionen in vielen Gesprächen mit Lehrkräften, Eltern sowie Schülerinnen und Schülern und bietet Unterstützung. Die Anmeldezahlen in der so genannten Einzelfallhilfe sind auf Rekordwerte gestiegen. Die Neuanmeldungen haben in den ersten 6 Monaten dieses Jahres schon die Menge des gesamten letzten Jahres erreicht.  

„Wir wissen, dass in den Schulen weiterhin hoher Unterstützungsbedarf bestehen wird, denn die Krise in den Menschen ist noch lange nicht vorbei,“ sagt Birgit Hähn, Dezernentin für Sicherheit, Ordnung und Bildung und ergänzt, „deshalb sind wir froh mit dem Schulpsychologischen Dienst Unterstützung anbieten zu können“.

„Wir wünschen allen möglichst erholsame Ferien, um ein wenig Kraft zu sammeln,“ hofft Bernd Christ, leider ahnend, dass das oft nicht reichen wird.

Weitere Informationen auf www.bildung-in-oberberg.de.

Die Jahresberichte (einschließlich 2021) erhalten Sie gleich hier.



Letzte Änderung: 21. Juni 2022